Doppelt krankenversichert- geht das?
Ein interessanter Fall aus der Praxis! Das Amtsgericht Dortmund hat am 27.08.2019 entschieden, dass es kein Verbot einer Doppelversicherung gibt. Der Wechsel aus der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Krankenversicherung ist an spezielle Voraussetzungen gebunden. Auch das Kündigungsrecht nach § 205 Versicherungsvertragsgesetz setzt das Bestehen/Entstehen einer gesetzlichen Versicherungspflicht Kraft Gesetzes in der GKV voraus. Für die Rechtspraxis ein wichtiges Urteil, welches bei der Beratung und Vertretung für Wechselwillige aus der PKV in die GKV zu beachten ist!
Doppelt krankenversichert- geht das? Wer es nicht glauben will, sollte den nachfolgenden Textbeitrag lesen!
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Wer von der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln will, steht vor oft unüberwindlichen Hürden. Vielmals finden sich im Internet sehr viele Ratschläge, wie ein Wechsel gelingen kann. Aber diese Ratschläge sind meist unbrauchbar, weil jeder Fall für sich gesehen ein Einzelfall ist. Jeder Bürger, der aus der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche KV wechseln will, hat einen eigenen Hintergrund, eigene persönliche Vorstellungen und tatsächliche Gegebenheiten. Wenn dann geschrieben steht: „So kann es gelingen“, kann dies nur als allgemeine Richtung verstanden werden. Und nicht als Ratschlag der für jeden Einzelfall gilt.
Aufnahme in die GKV ist eine Einzelfallentscheidung
Gesetzliche Krankenkassen treffen auf Grundlage des geltenden Rechts immer eine Einzelfallentscheidung, wenn jemand einen Antrag auf Aufnahme in die GKV stellt. Identische Fälle oder nahezu gleiche Fälle können immer zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
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Daher kann bei dem einen Antragsteller die Aufnahme erfolgen und bei dem anderen nicht. Oder die eine Krankenkasse nimmt ihn auf und die andere nicht, und zwar bei ein und denselben Sachverhalt.
Kein Verbot der Doppelversicherung
Oft denken Versicherter, dass, wenn sie in der GKV als Mitglied aufgenommen sind, sie nicht dann auch noch privat krankenversichert sein können. Ein sogenanntes Verbot der Doppelversicherung gibt es nicht. Wie das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 27.08.2019, Aktenzeichen 425 C 1969/19, zeigt.
Doppelt krankenversichert geht das? Was ist passiert
Eine private Krankenversicherung verklagte einen bei ihr vormals krankenversicherten Bürger auf Zahlung von rückständigen PKV-Prämien in Höhe von 2.703,33 € und Rechtsanwaltskosten von 334,75€ und außergerichtlichen Mahnkosten von 12,50€,
Der Beklagte war, bevor er sich bei der Klägerin mit Versicherungsvertrag wegen Krankheit versicherte, gesetzlich krankenversichert. Zum 01.01.2017 hatte er sich beruflich selbstständig gemacht. Am 01.04.2017 schloss der Beklagte einen privaten KV Vertrag ab. Monatlich sollte er 374,19 € zahlen. Der Versicherungsvertrag wurde nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen für zwei Jahre geschlossen. Der Vertrag verlängert sich um ein Jahr, wenn der Versicherungsnehmer nicht zum Ablauf der Vertragszeit fristgerecht kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt frühestens bei der Vertragsdauer von 2 Jahren genau 3 Monate vor Ablauf der Vertragslaufzeit.
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Im Mai 2017 teilte die gesetzliche Krankenversicherung dem Beklagten mit, dass er bei ihr noch als freiwillig versichertes Mitglied geführt werde. ER ist doppelt krankenversichert. Am 15.05.2017 kündigte der Beklagte der Klägerin den abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrag. Die Klägerin zog dennoch weiter monatliche Prämien zur Deckung beim Beklagten ein. Dieser ließ diese Prämien zurückbuchen. Trotz mehrer Zahlungsaufforderungen zahlte der Beklagte nicht mehr die vereinbarten Prämien. Am 09.03.2018 erfuhr die Klägerin erst von dem Umstand der Doppelversicherung.
Das Kündigungsschreiben vom 15.05.2017 sei der Klägerin erst am 23.03.2018 eingegangen. Sie hat dann den privaten KV-und Pflegevertrag zum 28.02.2018 beendet- und zwar aus Kulanz! Der Beklagte hatte bis zum 28.02.2018 keine Leistungen bei der Klägerin abgerechnet.
Autorin des Beitrages
Nadja Kirschner
Nadja Kirschner ist Rentenberaterin, ihre Mission ist es, dank ihrer weiblichen Intuition, Ungesagtes zu erkennen und den Mandaten emotional wie fachlich zu begleiten.
Der Beklagte habe den Versicherungsvertrag nicht wirksam gekündigt. Es besteht auch kein außerordentlichen Kündigungsrecht nach § 205 Absatz 2 VVG. Eine rückwirkende Kündigung sei deshalb nicht möglich. Es besteht kein Verbot der Doppelversicherung. Der Beklagte ist der Auffassung, dass ihm § 205 Absatz 2 VVG ein außerordentliches Kündigungsrecht erlaubt. Denn er sei ja kraft Gesetzes kranken-oder pflegeversicherungspflichtig.
Doppelt krankenversichert geht das? Was sagt das AG Dortmund
Der Beklagte musste die eingeklagten Prämien zahlen, so das Dortmunder Amtsgericht. Ihm steht kein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 205 VVG zu.
Nach dieser Vorschrift kann der Versicherungsnehmer einen privaten KV-und Pflegevertrag binnen 3 Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht kündigen, und zwar rückwirkend zum Eintritt der Versicherungspflicht. Aber nur dann, wenn die versicherte Person kraft Gesetzes versicherungspflichtig in der gesetzlichen KV wird.
§ 205 Absatz 2 VVG enthält ausdrücklich kein Verbot der Doppelversicherung. Sie gibt dem Versicherten das Recht der außerordentlichen Kündigung, aber nur für den Fall des Entstehens einer gesetzlichen Versicherungspflicht. Eine freiwillige gesetzliche Krankenversicherung ist keine Versicherung, die kraft Gesetzes nach dem SGB V entsteht. Nur die Tatbestände des § 5 SGB V lassen eine gesetzliche Versicherungspflicht begründen. Eine freiwillige Versicherung in der KV nicht. Deshalb bestand beim Beklagten defacto in eine Doppelversicherung.
Wenn der Versicherte zuerst in der gesetzlichen KV pflichtversichert war und sich selbstständig macht, sei er verpflichtet sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Deshalb ist der Versicherte automatisch weiter freiwillig gesetzlich versichert gewesen. Das Amtsgericht hat dann mit § 188 Absatz 4 SGB V argumentiert. Es sagte, dass der Beginn einer freiwillig gesetzlichen Mitgliedschaft für Mitglieder immer dann beginnt mit dem Tag des Ausscheidens beginnt, wenn die Versicherunspflicht beendet ist. Es sei denn, dass Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt.
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Dies ist aber nur dann möglich, wenn der Versicherte einen anderweitigen Schutz auf Absicherung nachweist. Der Beklagte war bis zum 01.01.2017 versicherungspflichtig gewesen. Mit Aufnahme seiner hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit wird er versicherungsfrei, § 5 Absatz 5 SGB V. Er ist dann nach § 188 Absatz 4 SGB V nahtlos weiter in der freiwilligen Versicherung seiner Krankenkasse versichert gewesen. Er hat den Austritt nicht nach den Regelungen des § 188 Absatz 4 SGB V erklärt. Daneben hat er sich noch zusätzlich am 01.04.2017 privat krankenversichert.
Fazit!
Der Beklagte hatte somit zwei Krankenversicherungen, eine freiwillig gesetzliche und eine private Krankenversicherung. Hätte er den Austritt wirksam zum 01.01.2017 gegenüber der gesetzlichen KV erklärt, wäre diese Situation für ihn nicht eingetreten. Andererseits kann der Beklagte aus aktueller Sicht sich noch glücklich schätzen, dass er nicht mehr privat krankenversichert ist. Die private Krankenversicherungswirtschaft hat für 2020 massive Prämienerhöhungen angesetzt. Daher wird der Beklagte, wenn er weiter freiwillig gesetzlich versichert ist, im Rentenalter wahrscheinlich in die günstige KVdR der Rentner kommen!
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