Erwerbsminderungsrente trotz voller Leistungsfähigkeit
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat unter dem Aktenzeichen L 3 R 331/14 am 31.08.2017 zu einem Sonderfall der Erwerbsminderungsrente entschieden! Trotz voller Leistungsfähigkeit gibt es eine Erwerbsminderungsrente. Wir klären auf, um was in dem Rechtsstreit ging.
Ist eine Erwerbsminderungsrente trotz voller Leistungsfähigkeit überhaupt möglich, werden Sie sich jetzt fragen. Wenn ich krank werde und nicht mehr arbeiten kann, bin ich nicht mehr leistungsfähig und kann auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht beruflich tätig sein. Dies ist die allgemeine Regel. Davon gibt es aber tatsächlich Ausnahmen. Mit einer solchen hatte das Verfahren vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zu tun.
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Erwerbsminderungsrente trotz voller Leistungsfähigkeit: Was ist passiert?
Der Kläger begehrte von der beklagten Rentenversicherung ab dem 01.06.2010 eine volle Erwerbsminderungsrente. Diese lehnte ab. Es kam zu Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht und dem Berufungsgericht.
Der Kläger 1959 geboren, ist gelernter Zerspanungsfacharbeiter. Er arbeitete nach der Lehre in diesem Beruf. Er erlitt 1987 eine komplexe Handverletzung auf Grund eines Arbeitsunfalles. Er erhielt ab 1987 eine Unfallrente aus der DDR. Nach dem Unfall hat er bis 1992 als Telefonist gearbeitet. Die erlernte Tätigkeit konnte er nicht mehr ausüben. Neben der Unfallrente mit einem MdE von 50 wurde bei ihm ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Ab 1995 arbeitete er als Hilfsfacharbeiter und Wachmann. Bis zum 23.12.2009 war er dann als Grobmüllsortierer beschäftigt. Seit dem 18.06.2008 ist der Kläger auf Grund einer Knochenhautentzündung im Ellenbogen arbeitsunfähig krank.
Nach einer Rehamaßnahme Ende 2008 wurde festgestellt, dass der Kläger seine letzte Tätigkeit als Grobmüllsortierer nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten kann. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei ihm noch leichte körperlichen Arbeiten unter Einschränkungen zumutbar.
Der Kläger stellt am 24.11.2009 einen Rentenantrag, mit der Begründung des Fingerverlustes der rechten Hand, der Knochenhautentzündung. Das Gutachten der Beklagten erbrachte neben den bekannten Diagnosen und Krankheiten noch eine Angina Pectoris, eine Hyperlipidämie, eine Diabetes mellitus, sowie eine Retinophatia diabetica nach Zustand einer Laserkoagulation beidseits. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als Telefonist oder Wachdienst arbeiten.
Erwerbsminderungsrente trotz voller Leistungsfähigkeit: Die Beklagte lehnte ab
Der Rentenantrag wurde durch die Beklagte abgelehnt. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Nachtschicht, Zeitdruck, Akkord, Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Heben und Tragen von Lasten, Gefährdung durch Kälte und Nässe, Tätigkeiten an rotierenden Maschinen sowie ohne dauernde Belastung der Hände und ohne häufige Überkopfarbeiten sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
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Sie verneinte auch eine Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI. Als Hauptberuf war er Grobmüllsortierer. In diesem Beruf ist er der Gruppe der Angelernten im unteren Bereich einzuordnen und somit auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Dann folgte die Klage vor dem SG Halle
Die vom Gericht eingeholten Gutachten bestätigten die Vorgutachten. Der Kläger hat beidseitig einen Grauen Star. Neben der diabetischen Retinophatie beidseitig bei Zustand der Laserkoagulation der Netzhaut ist es zu einer leichten Linseneintrübung gekommen. Ein neues Gutachten des SG Halle erbrachte noch eine chronische Entzündung der Sehnenansätze von Muskeln des Unterarms am linken Ellenbogen. Trotz zweifacher OP und allen therapeutischen Maßnahmen konnte hier keine Besserung erreicht werden. Die Epicondylitis ist chronisch geworden.Mit erheblichen Schmerzen für den Kläger bei der Bewegung des Ellenbogens und Streckbewegungen des Unterarmes. Rechtsseitig habe der Kläger große Teile aller fünf Finger verloren. Vom Daumen und vom Zeigefinger stünden nur noch Stümpfe, so dass er damit im Pinzettengriff – allerdings nur leichte Teile – greifen könne. Die Handfläche sei sehr gut beweglich, so dass er auch mit der Handfläche und dem Daumen Teile greifen könne. Grobmotorische Greiftätigkeiten könne er ausführen, wenn die Last nicht zu schwer sei. Er habe im Laufe der Zeit für die funktionellen Möglichkeiten der amputierten Finger durch Übung ein Maximum erreicht. Leider habe er dadurch nie erlernt, Funktionen mit der linken Hand zu übernehmen.
Erwerbsminderungsrente trotz voller Leistungsfähigkeit: erhebliche Einschränkungen laut Gutachten
„Es sei auch keine Ergotherapie erfolgt, bei der die Linkshändigkeit, z.B. beim Schreiben, hätte geübt werden können. Nunmehr seien die Möglichkeiten für die linke Hand durch die Epicondylitis eingeschränkt. Darüber hinaus bestünde als Folge des Diabetes mellitus eine Schädigung der Netzhaut. Trotz mehrfacher Laseroperationen sei die Sehkraft auf beiden Augen irreparabel eingeschränkt und führe zu einer mittelgradigen Sehbehinderung beidseits. Der Kläger könne nur noch leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ohne Arbeiten in Zwangshaltungen, insbesondere Armvorhalte bzw. Überkopfarbeiten, keine Leiter- oder Gerüstarbeiten oder andere Arbeiten mit Absturzgefahr verrichten. Schweres Heben und Tragen müsse vermieden werden. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei eingeschränkt. Der Kläger könne nur leichte Lasten greifen, allerdings sei der Griff nicht ganz sicher, so dass auch mal Gegenstände fallen könnten. Feinmotorische Arbeiten könne er weder mit links noch mit rechts ausführen.
Orthopädische Einschränkungen und die mangelnde Sehkraft!
Der linke Arm und die linke Hand seien auf Dauer minderbelastbar für festes Zugreifen und alle repetitiven Tätigkeiten. Auch Schreiben sei nur eingeschränkt möglich (nur Druckschrift, sehr langsam). Das Sehvermögen sei beeinträchtigt und könne auch mit einer Brille nicht korrigiert werden. Er könne keine Arbeiten ausführen, die gutes Sehvermögen erforderten. Der Kläger sei geistig nur leichten und anamnestisch geringen bis durchschnittlichen Anforderungen gewachsen. Ausgeschlossen seien zudem Arbeiten in Zugluft, Nässe und Kälte, Akkord- oder Fließbandarbeit sowie Arbeiten mit erhöhtem Zeitdruck.
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Ihm zumutbare Arbeiten könne der Kläger regelmäßig sechs Stunden täglich verrichten. Die Gehfähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der Kläger könne aus medizinischen Gründen auf Grund einer noch ausreichenden Sehkraft einen Pkw führen. Die Einschränkungen bestünden auf Dauer. Die therapeutischen Möglichkeiten seien ausgeschöpft. So die Ausführungen aus dem gerichtlich angeordneten Gutachten.
Das Urteil des SG Halle
Die Beklagte wurde verurteilt dem Kläger eine teilweise EM-Rente wegen Berufsunfähigkeit bis zur Regelaltersrente zu gewähren. Eine volle EM-Rente wurde abgewiesen.
Gegen das Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Der Kläger sei aus ihrer Sicht nicht berufsunfähig. Berufsschutz sei nicht gegeben. Sie verweise den Kläger auf die Tätigkeit des Pförtners Nebenpforte, des einfachen Pförtners oder des Museumaufsehers.
Der Kläger legte ebenfalls Berufung ein. Er war der Meinung, dass er auf Grund seiner körperlichen Einschränkungen keinerlei Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausüben kann.
Erwerbsminderungsrente trotz voller Leistungsfähigkeit: Die Entscheidung des LSG
Die Berufung des Klägers hatte Erfolg. Die Berufung der Beklagten war unbegründet, so das LSG.
Der Kläger hat Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.Juni 2010 befristet bis zum 31. Mai 2019.
Zwar ist der Kläger in der Lage seit Rentenantragstellung sechs Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten mit Einschränkungen durchzuführen. Auf Grund der Handverletzungen kann der Kläger nur sehr langsam Druckschrift schreiben. Der Kläger ist geistig nur leichten bis geringen Anforderungen gewachsen. Auf Grund dieses Leistungsbildes ergab sich für das Gericht keine für den Kläger ersichtliche Tätigkeit, die dieser noch ausüben konnte.
Das LSG schließt sich der Rechtssprechung des BSG vom 19.10.2011, B 13 R 78/09 R an. Danach ist die Einsatzfähigkeit trotz qualitativer Leistungseinschränkungen beim Kläger in einem Betrieb nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
Aufgrund der Kombination der hieraus resultierenden qualitativen Leistungseinschränkungen ist für den Senat keine Tätigkeit ersichtlich, die der Kläger noch verrichten kann.
Es muss geprüft werden, ob der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen einfache Verrichtungen, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen, durchführen kann.
Das LSG kam zum Ergebnis das der Kläger im Rahmen eines regulären Beschäftigungsverhältnisses ernsthaft diese Verrichtungen durchführen kann.
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Grobmotorische Tätigkeiten konnte der Kläger nicht mehr ausüben. Auf der zweiten Stufe war zu prüfen, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Für das LSG stand fest, dass bei dem Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, die eine Benennung einer Konkreten Verweisungstätigkeit notwendig macht. Eine solche Tätigkeit ist durch die Beklagte nicht benannt worden. Die vier anderen Berufe, wie Pförtner an der Nebenpforte oder Tätigkeit im Wachdienst sind dem Kläger aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht zumutbar.
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Fazit!
Zwar gab es keine Dauerrente für den Kläger in Form einer vollen EM-Rente. Dafür gab das LSG aber eine Dauerrente wegen teilweiser EM-Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Länge des Klageverfahrens von fast 7 Jahren zeigt, wie zähe und ermüdend solche Verfahren sein können. Deshalb ist eine gute Vorbereitung und auch die medizinische Begutachtung von großer Bedeutung. Solche Verfahren könnten eigentlich beschleunigt werden, wenn die Gutachter als sachverständige Zeugen geladen werden und dann offenstehende Fragen im Gerichtsverfahren mit dem Gutachter geklärt werden können. So könnte Zeit für unnötige Schriftsätze erspart werden.
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