Gesellschafter-Geschäftsführer im Treuhandverhältnis
Unterliegt ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH aufgrund Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht, wenn er zwar formal als Alleingesellschafter alle Geschäftsanteile der GmbH hält, er aber durch einen notariellen Treuhandvertrag seinen beherrschenden Einfluss eingebüßt hat? Diese Rechtsfrage ist zurzeit beim Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 12 R 5/ 18 R zur endgültigen Klärung anhängig. Zuvor hatte das Landessozialgericht Baden-Württemberg sich mit dieser Rechtsfrage zu beschäftigen. Wir klären auf, um was es im Rechtsstreit ging und warum diese Entscheidung für die Praxis so wichtig ist.
Ist der Gesellschafter-Geschäftsführer im Treuhandverhältnis abhängig beschäftigt, wenn er laut Treuhandvertrag an den Weisungen der Treugeber im Zusammenhang mit Beschlüssen der Gesellschafterversammlung gebunden ist. Die Rechtsprechung des 12. Senats des Bundessozialgerichts beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit der Frage, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer in verschiedenen Situationen seiner Tätigkeit der Sozialversicherungspflicht unterliegt oder selbstständig tätig ist. Wir hatten unter anderem über die Schönwetter-Rechtsprechung des BSG berichtet oder die Frage der Sperrminorität näher beleuchtet.
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Für die Berufspraxis der GmbH Geschäftsführer, Notare und Steuerberater ist ein neues Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg interessant. Im Streitverfahren ging es um die Frage, ob ein Gesellschafter -Geschäftsführer einer GmbH, der zuerst eine Minderheitsbeteiligung an der GmbH hielt und dann mit Treuhandvertrag die gesamten Gesellschafteranteile übertragen bekommen hat, in seiner Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig oder nicht ist. Dieser Verfahren ist deshalb so wichtig, weil jetzt die Rechtspraxis der Treuhandverträge im Zusammenhang mit der Übertragung von Gesellschafteranteilen rechtlich bewertet wird
Gesellschafter-Geschäftsführer im Treuhandverhältnis: Treuhandverhältnis
Das Treuhandverhältnis ist in der Regel ein verdecktes Vertragsverhältnis. In diesem möchte der Treugeber aus verschiedenen Gründen heraus, nicht offen im Rechtsverkehr zu Tage treten. Er bedient sich einer anderen Person, die für ihn seine Rechte wahrnimmt, ohne das erkennbar wird, dass er –der Treugeber- im Hintergrund steht.
Gesellschafter-Geschäftsführer im Treuhandverhältnis: Die Grundsituation kurz erläutert
Die Klägerin übernahm die vollen Geschäftsanteile an der GmbH. Das heißt nach außen gerichtet, war sie die alleinige Gesellschafterin der GmbH zu 100 Prozent. So war es auch im Handelsregister eingetragen.
Im Innenverhältnis war sie aber nur treuhänderische Gesellschafterin der Hauptanteile der GmbH. Sie hat diese Gesellschaftsanteile mit Treuhandvertrag sozusagen verwaltet und hatte nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die Anteile wieder übertragen. Im vorliegenden Fall dürfte es sich somit um eine verdeckte Treuhand handeln.
Gesellschafter-Geschäftsführer im Treuhandverhältnis: Um was ging es?
Streitig war die Frage, ob die Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin einer GmbH für eine bestimmte Zeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Klägerin übernahm 2007 einen Geschäftsanteil an einer GmbH von 2500€ bei einem Stammkapital von 25.000€. Sie wurde Geschäftsführerin und war laut Anstellungsvertrag als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Das heißt, die GmbH zahlte Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern aus dem vereinbaren Bruttoeinkommen.
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Im Jahr 2008 übertrug der Hauptgesellschafter seiner Geschäftsanteil mit Notarvertrag in Höhe von 22.500€ an die Klägerin. Am gleichen Tage schlossen die Klägerin und 3 weitere Personen einen Treuhandvertrag ab. Dieser beinhaltete, dass die Klägerin als Treuhänderin für die 3 Personen den Geschäftsanteil von 22.500€ für die Treugeber treuhänderisch hielt. Im Treuhandvertrag war geregelt, dass die Klägerin bei der Gesellschafterversammlung und den Beschlüssen an die Weisungen der Treugeber zwingend gebunden ist. Eine besondere Vergütung für ihre Tätigkeit als Treuhänderin erhielt die Klägerin nicht.
2011 schied die Klägerin als Gesellschafterin und Geschäftsführerin aus der GmbH aus.
Gesellschafter-Geschäftsführer im Treuhandverhältnis: Antrag Statusprüfung weil ALG-1 abgelehnt wurde
Die Klägerin beantragte im März 2012 bei der beklagten DRV die Statusprüfung hinsichtlich der SV-Pflicht ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin. Sie war der Auffassung, dass sie in ihrer Tätigkeit trotz Treuhandvertrag der vollen Sozialversicherungspflicht unterlag. Sie begehrte die Feststellung, weil ihr Antrag auf Arbeitslosengeld mit der Begründung abgelehnt wurde, sie sei Unternehmerin gewesen.
Sie begründete ihre Auffassung damit, dass der Treuhandvertrag ihr nicht die alleinige Rechtsmacht über das Wohl und Wehe der GmbH verschaffte, insbesondere war sie an den Weisungen der Treugeber bei Gesellschafterversammlungen gebunden. Die Treugeber selbst waren in anderen GmbH schon Gesellschafter gewesen , die über branchenübliche Kenntnisse verfügten. Die Treugeber hätten ihr Stimmrecht weiter ausgeübt, diese war nicht ausgeschlossen.
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Die Deutsche Rentenversicherung lehnte die begehrte Feststellung der SV-Pflicht der Klägerin ab. Sie habe laut Treuhandvertrag 100 Prozent der Stimmanteile an der GmbH gehalten. Beschlüsse würden in einfacher Mehrheit gefasst. Danach ging die Klägerin in Widerspruch und in die Klage beim SG Stuttgart.
Das Sozialgericht Stuttgart hob den Bescheid und den Widerspruchbescheid auf und stellte fest, dass die Klägerin trotz Treuhandvertrag für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 31.03.2011 der vollen SV-Pflicht in der Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und der gesetzlichen Pflege unterfiel. Das SG begründete sein Urteil im Wesentlichen so, dass die Klägerin im Beurteilungszeitraum keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH hatte. Sie konnte ihr unangenehme Weisungen nicht verhindern. Vor dem Treuhandvertrag war sie nur zu 10% an der GmbH beteiligt.
Danach sei sie als Alleingesellschafterin nicht in der Lage gewesen, die Geschicke der GmbH zu bestimmen und ihr nicht genehme Weisungen zu verhindern. Mit dem Treuhandvertrag hatten es die Treugeber (verdeckte Gesellschafter) in der Hand der Klägerin gesellschaftsrechtliche Weisungen zu geben. Dies ergab sich aus dem notariell beurkundeten Vertrag. Sie konnte jede Handlung der Klägerin oder Missachtung einer Weisung sanktionieren, in dem die Klägerin ihre Mehrheitsbeteiligung sofort wieder verloren hätte. Die Regelungen des Treuhandvertrages waren zivilrechtlich durchsetzbar. Die Treugeber hätten die Klägerin auf Schadensersatz in Form der Rückgängigmachung von Gesellschafterbeschlüssen verklagen können. Der Treuhandvertrag sei auch so praktiziert worden, so die Feststellungen des SG Stuttgart.
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Die Beklagte legte gegen das Urteil fristgerecht beim LSG Berufung ein.
Gesellschafter-Geschäftsführer im Treuhandverhältnis: Die Entscheidung des LSG
Die beklagte DRV ist der Auffassung, dass die Klägerin eine selbstständige Tätigkeit ausübe. Sie habe durch den Treuhandvertrag die entsprechende Rechtsmacht wie eine echte Alleingesellschafterin gehabt.
Das LSG entschied ohne mündliche Verhandlung zu Gunsten der Klägerin.
Gesellschafter-Geschäftsführer im Treuhandverhältnis: Die Urteilsgründe Teil 1
Die Klägerin unterlag im streitbefangenen Zeitraum mit ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der GmbH der vollen Sozialversicherungspflicht.
Die Klägerin hat am 02.03.2012 einen Antrag auf Statusprüfung nach § 7 a Absatz 1 Satz 1 SGB IV gestellt. Die Entscheidung über die Statusprüfung erfasst nicht die Entscheidung des Arbeitsamtes über die ALG-1 Ansprüche der Klägerin.
Personen die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der gesetzlichen Pflichtversicherung. Als Beschäftigung ist eine nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis gemeint.
Diese Vertragsverhältnisse werden in der Regel durch Vereinbarungen geregelt. Anhand dieser Vereinbarungen kann dann konkret auf die Abgrenzung der Sozialversicherungspflicht und Selbstständigkeit. Mit erheblichen finanziellen und rechtlichen Auswirkungen.
Ob ein Geschäftsführer zu seiner GmbH in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht ist nach den entwickelten Grundsätzen des Bundessozialgerichts zu beurteilen. So zum Beispiel zur Thematik der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer.
Eine abhängige Beschäftigung gegenüber der GmbH ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Beschäftige Gesellschafter-Geschäftsführer ist.
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Entscheidend sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und die Rechtsmacht für Entscheidungen für und gegen die GmbH und andere Gesellschafter. Hinzu kommen Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung und eine Sperrminorität.
Maßgeblich für einen GmbH-Geschäftsführer ist auch, in welchem Maße er einer Kontrolle und den Weisungen der anderen Gesellschafter unterliegt. Eingriffe in sein Tätigkeitsgebiet muss er durch die Gesellschafter hinnehmen, selbst wenn der Geschäftsführervertrag keine Bestimmungen hierüber enthält.
Letztendlich kommt es auf die Willensbildung der Gesellschafterversammlung an. Eine selbstständige Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH ist dann anzunehmen, wenn er oder sie die maßgeblichen Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschafterbeschlüsse hat. Er auch im nicht genehme Entscheidungen der anderen Gesellschafter abwehren kann.
Ein Indiz war für das LSG der Geschäftsführervertrag zwischen der Klägerin und der GmbH. Die Befreiung vom §181 BGB ändert hieran nichts, weil diese Befreiungsmöglichkeiten sowohl bei selbstständiger Tätigkeit als auch bei abhängiger Beschäftigung üblich sind.
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Gesellschafter-Geschäftsführer im Treuhandverhältnis: Die Urteilsgründe Teil 2
Die Klägerin hielt die gesamten Anteile an der Gesellschaft. Sie war aber in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin an die Gesellschafterbeschlüsse gebunden, § 37 Absatz 1 GmbHG. Dieses Recht war im maßgebenden Gesellschaftervertrag nicht ausgeschlossen. Sie war laut der Satzung formalrechtlich in der Lage ihr nicht genehme Gesellschafterbeschlüsse und Weisungen an sich selbst zu verhindern.
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Aber die Klägerin hat diese beherrschende Rechtsmacht auf die GmbH durch den Treuhandvertrag verloren. Dieser Vertrag entsprach nach Ansicht des Gerichts den Vorgaben des § 15 Absatz 4 GmbHG. So hat es auch der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 22.09.2016, III ZR 427/15 gesehen.
Die Rechtsmacht der Klägerin war im Innenverhältnis zu ihren Treugebern durch eine schuldrechtliche Vereinbarung beschränkt. Die Klägerin hätte also nach außen (auf jeden anderen Dritten) andere Weisungen treffen können. Aber die Treuhandabrede (der Vertrag) war für sie bindend. Denn dieser sah in § 2 Absatz 2 Satz 3 vor, dass die Klägerin an die Weisungen der Treugeber bei den Gesellschafterversammlungen und Beschlüssen der Gesellschaft zwingend gebunden war. Somit besteht nach der Ansicht des Gerichts ein wesentlicher Unterschied zwischen einer bloßen Stimmrechtsvereinbarung und einem echten Treuhandverhältnis.
Bei der Stimmrechtsvereinbarung lassen Verstöße des Gesellschafter- Geschäftsführer die Gesellschafteranteile unberührt. Im vorliegenden Fall führte aber ein Verstoß der Klägerin gegen die Treuhandabrede zur möglichen Beendigung des Vertrages wegen Kündigung aus wichtigem Grund. Und als Rechtsfolge zwingend die Herausgabe der Gesellschafteranteile, welche die Klägerin treuhänderisch hielt. Die Willensbildung in der GmbH lag nach Ansicht der LSG-Richter eindeutig bei den Treugebern und nicht bei der Klägerin.
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Dem steht nicht entgegen, dass die Treugeber sich im Gesellschaftervertrag nicht das Recht vorbehalten haben, selbst an den Gesellschafterversammlungen teilzunehmen und die ihnen zustehenden Rechte aus dem Treuhandvertrag selbst wahrzunehmen. Man spricht in solchen Fällen von einer qualifizierten Treuhand.
Die Klägerin selbst hielt sich an die Vorgaben des Treuhandvertrages und fasste keine Beschlüsse, die gegen den Willen der Treugeber waren. Sie war an die Weisungen der anderen (verdeckten Gesellschafter) gebunden.
Das LSG sieht sich in seiner Rechtsprechung durch die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 08.12.1994 (11 Rar 49/94) und durch diverse andere LSG-Entscheidungen bestätigt. Die Rechtsprechung des BSG zu den Stimmrechtsentscheidungen vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R war im vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden.
Gesellschafter-Geschäftsführer im Treuhandverhältnis: Revision zugelassen!
Das Landessozialgericht hat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Das BSG wird sich mit der Frage auseinandersetzen, ob der Alleingesellschafter-Geschäftsführer der formell die 100 % hält, auf Grund der Treuhandabrede nicht dennoch eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübt. Ein spannender Fall. Für die Praxis mit erheblichen Auswirkungen. Treuhandverträge sind möglicherweise jetzt schon, auf den Prüfstand zu stellen. Denn es droht die Feststellung der SV-Pflicht für den Alleingesellschafter-Geschäftsführer, der über eine verdeckte Treuhandlösung dem Willen der Treugeber in Bezug auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ausgesetzt ist! Und damit erhebliche finanzielle Belastungen für die GmbH.
Autor des Beitrages
Peter Knöppel
Peter Knöppel ist Rentenberater, Fachanwalt für Sozialrecht und Rechtsanwalt. Er analysiert, erkennt und geht oftmals neue Wege in Sachen Rente.