Keine Witwenrente nach 8 Monate Ehedauer
Im gesetzlichen Hinterbliebenenrentenrecht gibt es einen wichtigen Grundsatz: „Wenn die Ehe nur wegen der Versorgung des anderen abgeschlossen wurde, kann es nichts werden mit einer Witwenrente“. So hat es das Landessozialgericht Hessen am 15.Dezember 2017 entschieden (Aktenzeichen L 5 R 51/17). Das LSG bestätigte das Urteil der Vorinstanz des Sozialgerichts Kassel.
Keine Witwenrente nach 8 Monate Ehedauer so ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts aus Darmstadt. Nach Ansicht der Richter aus Darmstadt lag eine Versorgungsehe vor, die einen Anspruch auf eine Witwen-oder Witwerrente ausschließt.
Keine Witwenrente nach 8 Monaten Ehedauer: Was ist eine Versorgungsehe?
Nach § 46 Absatz 2a Sozialgesetzbuch Nr. 6 haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf eine Witwen-oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente zu begründen.
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Die Versorgungsehe wird gesetzlich vermutet, wenn die Ehedauer nicht mindestens 1 Jahr angedauert hat. Nur in besonderen Fällen, wie einen plötzlichen Tod durch ein Unfall oder Tod durch eine überraschende Erkrankung (plötzlicher Herztod oder Schlaganfall usw.) ist eine kürzere Ehedauer in den meisten Fällen keine Versorgungsehe, so dass die Deutsche Rentenversicherung die Hinterbliebenenrente gewährt.
Keine Witwenrente nach 8 Monaten Ehedauer: Was war passiert?
Es ging um ein Ehepaar, Eltern eines Kindes, dass sich nach 20 Jahren scheiden ließ. Nach einer Unterbrechung zogen beide Partner wieder zusammen. Es war geplant, dass die beiden am 33. Tag ihres Kennenlernens wieder heiraten wollten. Die Eheschließung erfolgte am 31.10.2012. 10 Tag vor der Eheschließung wurde bei dem Ehegatten Nierenkrebs mit fortgeschrittener Nekrose und Metastasierung in der Leber und dem rechten Harnleiter festgestellt. Nach einer späteren Leberbiopsie wurde das gesamte Ausmaß der Erkrankung des Ehegatten klar. Es wurde Anfang 2013 eine palliative Behandlung des Ehemannes begonnen. Im Juni 2013 verstarb er dann nach einer Aufnahme in einem Krankenhaus.
Die Ehefrau selbst ist seit 1995 schwer krank und hatte zum damaligen Zeitpunkt eine eigene Pflegestufe 2 und ein GdB von 100 sowie Merkzeichen G, B und H (wegen eigener Herzerkrankung und Lungenfunktionsminderung). Sie musste seit 2005 eine Sauerstofflangzeittherapie durchführen. Warum diese Sachverhaltsschilderung? Es ging auch um den Einwand der Klägerin, dass sie ihren verstorbenen Mann gepflegt habe.
Keine Witwenrente nach 8 Monaten Ehedauer: Witwenrente wurde abgelehnt!
Am 26. Juli 2013 beantragte die Witwe-Klägerin- die große Witwenrente. Sie erklärte im Antrag, die Heirat sei zur Sicherstellung der Pflege eingegangen worden und der Tod ihres Mannes war zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht absehbar gewesen. Sie war schon einmal mit ihrem Mann 19 Jahre verheiratet gewesen und sei selbst seit 1995 pflegebedürftig.
Die Deutsche Rentenversicherung lehnte den Antrag auf die Witwenrente ab. Die Ehe habe nicht mindestens ein Jahr gedauert. Umstände, die die Versorgungsehe ausschließen könnten, liegen nicht vor. Im Widerspruchsverfahren erklärte die Klägerin noch, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung für sie nicht ersichtlich gewesen, dass ihr Mann lebensbedrohlich erkrankt sei. Es sei erst ein Wirbelsäulenschaden vermutet worden. Die Klägerin selbst habe erst später von der Krebserkrankung erfahren. Und zwar erst nach der zweiten Eheschließung, weil ihre Tochter- die auch erst nach der Eheschließung vom Krebs ihres Vaters erfahren hat, sie nicht beunruhigen wollte. Mit dem Hinweis auf ihre eigene angeschlagene Gesundheit. Nach der Verlobung im Jahr 2010 sei der 31.12.2012 der tatsächliche Heiratstermin gewesen, so wie er auch durchgeführt wurde. Eine Nottrauung war die Eheschließung im Krankenhaus nach den Unterlagen des Standesamtes nicht.
Der Widerspruch wurde abgelehnt. Ein ärztliches Gutachten durch die Beklagte belegte, dass die Erkrankung des Verstorbenen zum Zeitpunkt der Eheschließung lebensbedrohlich war. Die ernsthafte Erkrankung muss zum Zeitpunkt der Eheschließung bekannt gewesen sein, so das Gutachten. Die Lebenserwartung bei der festgestellten Krebserkrankung liegt im Regelfall bei 6 bis 12 Monaten. Die Umstände der Eheschließung schließen auf eine Versorgungsehe. Im April 2014 erhob die Klägerin Klage beim SG Kassel.
Das SG wies die Klage ab. Nach einem neuerlichen Gutachten stand für den Richter fest, dass der Kläger am 24.10.2012 und am 31.10.2012 um die Art seiner Erkrankung wusste. Das SG hatte zu dem auch Zweifel, ob der Hochzeitstermin schon fast 2 Jahre vor der Eheschließung bestanden habe. Es war nicht sicher feststellbar, dass die Hochzeitsplanung von der Tumorerkrankung losgelöst war. Der Verstorbene sei seit dem 23. Oktober 2012 von dem Verdacht einer weit fortgeschrittenen Tumorerkrankung informiert gewesen. Die gehörten Zeugen konnten sich an das Ehedatum erinnern, nicht aber an konkrete Planungen im Vorfeld.
Keine Witwenrente nach 8 Monaten Ehedauer: Die Gründe des LSG
Gegen das Urteil des LSG legte die Beklagte Berufung ein. Das hessische LSG wies die Berufung mit Urteil ab. Es bestätigte das Urteil des SG Kassel. Mit einer interessanten Erweiterung.
Die Vermutung der Versorgungsehe kann nach Auffassung der Darmstädter Sozialrichter widerlegt werden. Dazu müssen besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer trotz kurzer Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass er der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente zu begründen. Dies muss mit dem Beweis des Gegenteils erfolgen und zwar als Vollbeweis. Hierbei reicht ein Grad der Gewissheit nahekommenden Wahrscheinlichkeit. Gegen eine Versorgungsehe sprechen grundsätzlich folgende Umstände, so das Gericht:
- plötzlicher unvorhersehbarer Tod durch Arbeitsunfall, Verkehrsunfall, Verbrechen oder Infektionskrankheit,
- die tödlichen Folgen einer Krankheit waren bei Eheschließung nicht vorhersehbar,
- Nachholung einer gültigen deutschen Trauung,
- Vorhandene gemeinsame leibliche Kinder oder eine Schwangerschaft und Erziehung eines Minderjährigen Kindes durch den Hinterbliebenen,
- Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des anderen Ehegatten!
Als besondere Umstände kommen alle äußeren und inneren Umstände in Betracht, die eine Versorgungsehe ausschließen oder widerlegen können. Allgemeine Gesichtspunkte, wie sie bei den meisten Eheschließungen, eine Rolle spielen, rechtfertigen für sich gesehen noch nicht die Annahme eines besonderen Umstandes. Der Versorgungsgedanke muss durch die Umstände in den Hintergrund treten, so dass er nicht mehr als wichtig erscheint.
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Für das hessische LSG war in diesem Fall klar, dass dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung eine besonders wichtige Bedeutung zu kommt. Bei der Heirat eines lebensbedrohlich Erkrankten ist die Vermutungsregelung der Versorgungsehe in der Regel nicht widerlegt.
Dass die Kläger nichts von der lebensbedrohlichen Erkrankung ihres Mannes zum Zeitpunkt der Eheschließung wusste (das LSG unterstellt dies sogar ausdrücklich zu Gunsten der Klägerin), ändert nichts an der fehlenden Widerlegung der Versorgungsehe. Das bei ihr die Versorgungsabsicht nicht vorhanden war reicht für den Wegfall der Versorgungsehe nicht aus. Für das Gericht war es so, dass den besonderen Beweggründen des verstorbenen Versicherten das besondere Gewicht zu kam. ER wollte unbedingt am 31.10.2012 heiraten. Er wollte damit nicht warten, bis der Krankenhausaufenthalt beendet ist. Für ihn musste somit der Heiratstermin am 31.10.2012 einen hohen Stellenwert haben. Das LSG konnte nicht ausschließen, dass der Ehemann seine Frau versorgt wissen wollte, weil er am 31.10.2012 von seiner tödlichen Erkrankung wusste. Dies ergaben auch die eingeholten Gutachten.
Es kommt auch nicht darauf an, wann genau der Tod eintritt oder wie lange die Lebenserwartung nach der Eheschließung ist. Entscheidend ist, ob das Ableben vorhersehbar ist. Selbst für einen medizinischen Laien, so die Richter, wäre erkennbar gewesen, dass der Tod bei einer solchen Erkrankung in relativ kurzer Zeit eintreten kann.
Auch die langfristigen Hochzeitspläne können die Versorgungsehe nicht widerlegen. Das LSG geht davon aus, dass für den Ehemann die Kenntnis und der tödliche Verlauf seiner Krankheit derart in den Vordergrund gerückt waren, dass er noch am 31.10.2012 heiraten wollte.
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Keine Witwenrente nach 8 Monaten Ehedauer: Keine Pflegeehe
Die Klägerin wollte ihren Mann nach der Hochzeit pflegen, so ihr Einwand. Der Einwand der sogenannten Pflegeehe greift hier aber nicht. Das Bundessozialgericht hat in einer Entscheidung vom 03.09.1986, Aktenzeichen: 9a RV 6/84 über die Voraussetzungen einer Pflegeehe als Widerlegungsgrund der Vermutung einer Versorgungsehe entschieden. Die Klägerin selbst war nicht in der Lage, die Pflege ihres Mannes nach der ersten Entlassung aus dem Krankenhaus zu übernehmen. Sie ist langjährig pflegebedürftig. Die Pflege übernahm die gemeinsame Tochter und eine andere Person.
Fazit:
Wieder ein Urteil zur Versorgungsehe. Generell ist die Versorgungsehe widerlegbar. Die Liebesheirat reicht nicht aus. Die Versorgungsehe betrifft alle die Ehen und Witwen, die nach 2001 geheiratet haben. Ab diesem Datum gilt die Jahresfrist bei der Ehe. Für die Klägerin haben alle Gründe nicht gereicht, um die Witwenrente zu bekommen. Ob das Bundessozialgericht dies anders sieht, bleibt einer Nichtzulassungsbeschwerde vorbehalten, wenn die Klägerin diese einlegen sollte.
Ja, ich möchte wissen, ob ich einen Anspruch auf eine Witwen-Witwerrente habe!