Schwerbehinderung durch Diabetes
Wer zuckerkrank ist, muss sich an bestimmte Lebensregeln halten. Manchen gelingt es mit einer Ernährungsumstellung und körperlicher Bewegung, das Spritzen von Insulin zu vermeiden. Viele an die Diabetes erkrankte Menschen müssen sich aber mit Insulin spritzen und das oft mehrmals am Tag. Dann stellt sich die Frage, ob diese Betroffenen einen Anspruch auf eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von 50 haben. Ein neues Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt zeigt die Grenzen der möglichen Ansprüche.
Schwerbehinderung durch Diabetes mit einem GdB von 50 kann die Folge der Zuckerkrankheit sein.
Was sich hinter dem GdB (Grad der Behinderung ) von 50 verbirgt, bitte hier nachlesen.
Die Zuckerkrankheit ist eine Stoffwechselerkrankung. Die gesunde Bauchspeicheldrüse reguliert durch körpereigenes Insulin den Zuckerstoffwechsel im menschlichen Körper. Durch falsche Ernährung, mangelnde Bewegung, Rauchen, Alkohol und aber auch durch genetische Defekte, kann es zu Störungen in der Bauchspeicheldrüse kommen. Bis hin zum Totalausfall. Dann muss Fremdinsulin zur Zuckerregulierung gespritzt werden. Dabei können auch andere Organe, wie die Nieren, die Augen und der Herz-Kreislauf dauerhaft geschädigt werden. Folge dieser Erkrankung ist dann auch die Feststellung einer Behinderung oder einer Schwerbehinderung. Was eine Schwerbehinderung ist, können Sie hier nachlesen.
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat sich in einem Urteil vom 17.05.2017, L 7 SB 2/16, mit den Fragen einer Schwerbehinderung durch Zuckerkrankheit auseinandergesetzt. Es ist eine Einzelfallentscheidung.
Sie fragen - der Rentenberater antwortet
- Frage stellen zu jeder Zeit, ohne Öffnungszeiten
- kleiner Preis, nur 9,90€
- Beantwortung durch gerichtlich zugelassene Rentenberater
Das Landessozialgericht hat den begehrten GdB von 50 abgewiesen.
Schwerbehinderung durch Diabetes: um was ging es?
Der 1997 geborene Kläger begehrte die Feststellung der Behinderung mit einem GdB von 50, das Merkzeichen G und B.
Er gab an, dass er an Diabetes Mellitus Typ 1 leidet und legte einen Befundbericht einer Klinik für Kinder-und Jugendmedizin vor. Seit 2013 leidet er an Diabetis Typ 1.
Anfänglich hatte er „Spritzenangst“. Diese habe er aber im Laufe der Zeit überwunden. Er wurde in der Klinik gut auf Diabetes eingestellt. Er spritzt sich Insulin selbst. In seiner Freizeit macht er Selbstverteidigung und Segelfliegen. Er kann Unterzuckerungen bewußt wahrnehmen, Bewusstlosigkeiten und Krämpfe sind noch nicht aufgetreten. Er legte zum Klageverfahren sein Blutzuckertagebuch vor.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger einen GdB von 40. Die Mutter des Klägers legte gegen den Bescheid Widerspruch ein. Sie wollte einen GdB von 50 festgestellt haben. Der Kläger habe durch die Erkrankungen starke Beeinträchtigungen und musste seinen Wunschberuf als Pilot an den Nagel hängen.
Gerade bei Jugendlichen müssen auch in der Nacht mehrmals die Zuckerwerte gemessen werden und deshalb sei der Kläger stark beeinträchtigt. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück und beließ es bei dem festgestellten GdB von 40. Somit keine Schwerbehinderung durch Diabetes.
Unklarheiten beseitigen, rechtssichere Informationen erhalten
- Antworten auf Rentenfragen vom Rentenberater
- Überblick und Handlungshinweise für die Rente
- rechtssichere Informationen zur Rente
Die Klage
Die Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau hatte keinen Erfolg. Der Kläger sagte, dass er verpflichtet ist, 6 bis 12 mal täglich den Blutzucker zu messen. Infolge seiner Erkrankung sei seine Teilhabe am sozialen Leben massiv behindert. Er musste eine Klassenfahrt absagen. Sein Traumjob als Pilot kann er nicht mehr nachgehen. Allein die vielen Blutzuckermessungen sind für sich gesehen, schon eine massive Einschränkung seines persönlichen Lebens. Dann folgte eine Aufzählung durch das Zuckertagebuch des Klägers
Gerichtlich eingeholte Befundberichte stellten keine Organschäden an Augen und Nieren fest. Hypoglykämien konnten bisher durch den Kläger rechtzeitig verhindert werden. Der Kläger sei gut eingestellt.
Das Gericht wies die Klage ab. Als Begründung führte es aus, dass der Kläger zwar die für einen GdB geforderten fünf bis sechsmal selbstständigen Insulininjektionen täglich erreicht. Er muss sich auch zweimal täglich das Verzögerungsinsulin spritzen. Der Therapieaufwand ist sehr hoch.
Aber der Kläger erreicht eine stabile Stoffwechsellage, so dass Notfallbehandlungen und stationäre Aufenthalte nicht notwendig sind. Die Teilhabe am Leben sei nicht so erheblich eingeschränkt.
Beratung "Erwerbsminderungsrente"
Ansprüche bei Krankheit / Arbeitsunfall sichern
- Erwerbsminderungsrente mit oder ohne Berufsschutz
- Errechnen des Rentenanspruchs
- Vorteile der Flexi-Rente nutzen
Die Berufung durch den Kläger
Das Berufungsgericht holte nochmals Befundberichte ein. Der Kläger leidet unter Diabtes mellitus Typ 1. Der HbA1c-Wert habe 6,6 % betragen. Bei seiner Erkrankung handele es sich um ein Diabetes ohne Komplikationen. Er kann bei guter Einstellung Auto fahren. Die Berufswahl ist eingeschränkt.
Unterzuckerungen sind selten und allenfalls leicht ausgeprägt.
Der Kläger macht zur Zeit eine Ausbildung als Tischler. Seit 2016 habe er extreme Zuckerschwankungen. Er habe jede Nacht Unterzuckerungen. Deshalb sind die Intervalle zur Überprüfung bei ihm deutlich geringer geworden.
Neue prüfärztliche Gutachten bestätigen die Tatsachenvorträge des Klägers. Die aufgetretenen Schwankungen sind mit dem Wechsel Schule zum Berufsleben zu erklären. Durch den Wechsel in das Berufsleben komme es zu Änderungen in der körperlichen Belastung, die eine Anpassung an den Therapieplan erfordern.
Die Blutmessungen durch den Kläger erfolgen mittels eines Sensors
aus der PKV in die GKV wechseln
Wechselcheck - ab in die GKV
- kostenloser Check, ob Sie wechseln können
- endlich aus der PKV in die GKV wechseln
- Wechselmöglichkeiten erfahren
Schwerbehinderung durch Diabetes: Die Entscheidung des LSG
Das LSG Sachsen-Anhalt wies die Berufung ab. Der festgestellte GdB von 40 ist rechtmäßig.
Menschen haben dann einen Anspruch auf Feststellung einer Behinderung, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlich länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Die Beurteilung der Schweregrade der Funktionsbeeinträchtigungen richtet sich nach der am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV).
Für den Kläger bedeutet dies, dass die GdS-Tabelle des Teil-B der Verordnung zu Grunde zu legen ist. Die in den Tabellen genannten GdS-Sätze sind Anhaltpunkte.
Das Leiden des Klägers betrifft Innere Sektretion und Stoffwechseln, nach Teil B Nr. 15 ff.
In 15.1 der Tabelle Teil B steht unter anderem:
„Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.“
In der höchstrichterlichen Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes zum Thema Diabetes und Behinderung hat das BSG mit Urteil vom 2.12.2010 ( B 9 SB09/R) bei der Bewertung des Einzel-GdB neben der Einstellungsqualität insbesondere auf den Therapieaufwand abgestellt, soweit sich dieser auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirkt.
Folgende Faustformel gilt:
Der GdB ist niedriger anzusetzen, wenn mit einem geringeren Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden kann. Ist der Therapieaufwand höher oder nimmt der Therapieerfolg ab, so ist der GdB höher zu bewerten.
Meine Rente? Mein Rentenberater!
- Ohne Stress und eigenen Aufwand in die Rente
- Rentenberater übernimmt alle weiteren Schritte
- Persönlicher Rentenberater für alle Rentenfragen
Bei therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung ist folgendes zu berücksichtigen:
- Planung des Tagesablaufs,
- Gestaltung der Freizeit,
- Zubereitung der Mahlzeiten,
- die Berufsausübung und die Mobilität.
Grundvoraussetzungen für einen GdB von 50 bei Diabetes!
Die Feststellung eines GdB von 50 bei Diabetes mellitus Typ 1 erfordert folgendes:
- nicht nur mindestens 4 Insulininjektionen pro Tag,
- selbstsändiges Anpassen der Insulindosis,
- die Stoffwechelqualität oder sonstige Auswrikungen der Erkrankungen, wie Folgeerkrankungen, müssen zu einer krankheitsbedingten erheblichen Beiträchtigung in der Lebensführung führen, so das BSG mit Urteil vom 25.10.2012, B 9 SB 2/12 R,
- die Lebensführung beeinträchtigt (Teil B Nr. 15. 1) meint nicht nur therapiebezogen, sondern auch , dass neben dem eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulinspritzen und die Dosisanpassungen eine zusätzliche Wertung zur Rechtfertigung des GdB 50 notwendig ist,
- der Behinderte muss wegen des isoliert zu betrachtenden Therapieaufwandes generell gravierende Einschnitte in der Lebensführung nachweisen,
- beim GdB 50 müssen außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen vorliegen, die allein genommen, schon eine Erhöhung des GdB rechtfertigen.
Faustformel
Ein GdB von 50 bei Diabetes Mellitus Typ 1 setzt voraus:
- Mindestes 4 Insulininjektionen pro Tag,
- Selbstständiges Anpassen der Insulindosis
- Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche muss eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegen.
Schwerbehinderung durch Diabetes: Gesamtbewertung durch das Gericht
Das Landessozialgericht hat eine Gesamtbewertung aller Lebensbereiche des Klägers, wie sie die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes mit Urteil vom 16.12.2014 , B 9 SB 2/13 R, fordert , durchgeführt.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf einem GdB von 50.
Zwar muss er sechs- bis acht mal am Tag Blutzucker messen und 6 mal täglich sich mit Insulin spritzen. Damit erreicht er die für einen GdB von 50 gefordertete Therapieintensität. Aber es fehlt beim Kläger den deutlichen, erheblichen Einschnitten, die sich auf seine Lebensführung auswirken.
Es gibt beim Kläger in den Teilbereichen seines Lebens keine solchen Einschnitte in seiner Lebensführung, die einen GdB 50 im Vergleich zu anderen Erkrankten rechtfertigen würden.
Seine Nachteile schränken den Kläger in seiner Lebensführung ein, aber nicht gravierend.
Er kann seinen Berufswunsch ausüben, trifft sich mit Freunden, macht Sport, wenn es die Zeit erlaubt und fährt Auto.
Rente korrekt und zuverlässig berechnen!
- Berechnen der aktuellen Rente
- Berechnen der zukünftigen Rente
- Rentenhöhe korrekt bestimmen, Rentenverluste vermeiden
Der Kläger ist über den für ihn einschränkenden Therapieaufwand hinaus, nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Insulineinstellung in seiner Leistungsfähigkeit und damit Teilhabe am Leben erheblich beeinträchtigt. Noch nicht, so das LSG. Die verschlechterten Werte beim Kläger bedürfen einer Veränderung am Therapieplan. Der Kläger leidet an keinen weiteren anderen Erkrankungen.
Schwerbehinderung durch Diabetes: unser Fazit
Dieses Urteil zeigt für alle Betroffenen, die um einen GdB von 50 kämpfen, welche Voraussetzungen vorliegen müssen.Neben den täglichen Insulinspritzen und selbstständigen Anpassen der Dosis, bedarf es einer erheblichen Einschränkung an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Genau hier ist der Begründungsaufwand anzusetzen, wenn die individuelle Teilhabe in allen Lebensbereichen gravierend beeinträchtigt ist.
Allgemeine Formulierungen reichen nicht aus, um diese Einschränkungen zu begründen. Rat und Hilfe von fachlich versierten Anwälten und Rentenberatern ist notwendig, um eine klare Einschätzung der Chancen auf einen GdB von 50 zu ermitteln.
Autor des Beitrages
Frank Weise
Frank Weise berät bei rentenbescheid24 in Sachen medizinischer Fragen. Neben seinen Hochschuldiplomen ist er zusätzlich ausgebildeter Heilpratiker und weiß aus eigener Erfahrung, dass die Kombination aus herkömmlicher und alternativer Medizin zumeist der goldene Mittelweg ist.