Der schlafende Richter
Können Sie sich das vorstellen? In einem Gerichtsverfahren des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg vom 05.08.2016 über den Anspruch einer Erwerbsunfähigkeitsrente war ein ehrenamtlicher Richter nicht voll bei der Sache. Er war abwesend, weil schlafend! Details über diesen kuriosen Fall hier in diesem Beitrag!
Der schlafende Richter ist ein Grund für ein Verfahrensmangel wegen der nicht ordnungsgemäßen Besetzung eines Gerichtes. So die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes.
Das höchste deutsche Sozialgericht musste am 12.04.2017, Aktenzeichen:B 13 R 289/16 B, über eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Ablehnung einer Revision gegen das Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg entscheiden. In der Sache ging es um einen Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente nach altem Recht. Der Kläger machte mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfahrensmangel geltend. Das Urteil des LSG ist in rechtswidriger Art und Weise zustande gekommen.
Der schlafende Richter: was ist während Verhandlung passiert?
Was war bei der Entscheidung des Landesozialgerichtes Baden-Württemberg vom 05.08.2016; Aktenzeichen:L 4 R 3723/13, passiert?
Unklarheiten beseitigen, rechtssichere Informationen erhalten
- Antworten auf Rentenfragen vom Rentenberater
- Überblick und Handlungshinweise für die Rente
- rechtssichere Informationen zur Rente
Es geht um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31.10.1999 bis zum 31.8.2007 sowie wegen einer Rente wegen voller Erwerbsminderungsrente. Wissenswertes zum Thema der Erwerbsunfähigkeitsrente nach altem Recht können Sie in unserem Renten-ABC nachlesen.
Die beklagte Rentenversicherung lehnte eine Entscheidung zu Gunsten des Klägers ab. Vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht war der Kläger ebenfalls nicht erfolgreich. Das letzte Urteil war am 05.08.2016.
Der Kläger sagte in seiner Nichtzulassungsbeschwerde, dass der ehrenamtliche Richter während der gesamten mündlichen Verhandlung vom 05.08.2016 geschlafen hat. Somit sei das Gericht nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen.
Wie hat das Bundesozialgericht entschieden?
Das Bundessozialgericht hat das Urteil des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg aufgehoben. Jetzt muss sich ein anderer Senat des LSG mit der Erwerbsunfähigkeitsrente neu beschäftigen.
Der schlafende Richter ist öfters mal schon Grund dafür gewesen, dass Gerichtsverfahren und deren Entscheidungen aufgehoben werden mussten.
Das Bundessozialgericht hat dienstliche Stellungnahmen zu den Vorgängen in der mündlichen Verhandlung eingeholt und Zeugen befragt.
aus der PKV in die GKV wechseln
Wechselcheck - ab in die GKV
- kostenloser Check, ob Sie wechseln können
- endlich aus der PKV in die GKV wechseln
- Wechselmöglichkeiten erfahren
Zu Recht habe der Kläger die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichtes gerügt. Das Bundessozialgericht hat wegen dem Vortrag zur Verfahrensrüge folgende Inhalte vorgegeben, wie diese Verfahrensrüge auszusehen hat:
- alle Tatsachen, die den Verfahrensmangel begründen, müssen substantiiert vorgetragen werden,
- beim nicht anwesenden Richter während der mündlichen Verhandlung müssen konkrete Inhalte dargelegt werden, was in der mündlichen Verhandlung passiert ist,
- Zeitpunkt, Dauer und Einzelheiten des Verhaltens des Richters sind genau vorzutragen und welche Vorgänge der Richter nicht erfassen konnte.
Das Bundessozialgericht verweist in seinen Entscheidungsgründen zu den Fällen des schlafenden Richters, zum des es in der Vergangenheit schon entschieden hat, so eine Entscheidung vom 18.03.2014, B 12 R 37/13 B, Senatsbeschluss vom 29.08.2012, B 13 R 41/12 und Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.12.2003, 4 BN 54/03.
Das Bundessozialgericht sah es am 12.04.2017 als erwiesen an, dass das LSG in seiner mündlichen Verhandlung am 05.08.2016 nicht ordnungsgemäß besetzt war. Der ehrenamtliche Richter war zwar körperlich im Gerichtsverfahren da, aber im rechtliche Sinne nicht anwesend.
Der Richter hat die Verhandlung verpennt!
Der Kläger sagte, dass der ehrenamtliche Richter während der Zeit vom 10.22 bis 10:48 Uhr geschlafen habe und seine Augen erst geöffnet hat, als die Verhandlung beendet war. Der ehrenamtliche Richter sei erst verspätet eingetroffen und habe beim Platznehmen sofort geschlafen. Sein Kopf sei auf die Brust gesunken.
Das Bundessozialgericht sah es als erwiesen an, dass das Gericht nicht nach § 547 ZPO ordnungsgemäß besetzt war.
Die Ausübung des Richteramtes erfordert Verhandlungsfähigkeit. Daneben muss der Richter auch in der Lage sein, der Verhandlung zu folgen und wesentliche Vorgänge wahrzunehmen und aufzunehmen. Er muss zu diesen Anforderungen geistig und körperlich in der Lage sein.
Sein Richteramt kann er nicht mehr ausüben, wenn er während der mündlichen Verhandlung schläft.
Das Gericht stellte aber auch klar, dass Zeichen einer großen Ermüdung, Neigung zum Schlaf und das Kämpfen mit Müdigkeit kein sicherer Beweis dafür ist, dass der Richter die Vorgänge in der mündlichen Verhandlung nicht erfassen kann.
Das Gericht sagt, was Schlafen ist: der Richter muss schnarchen oder tief atmen!
Erst wenn sichere Zeichen dafür bestehen, dass der Richter schläft, wie zum Beispiel tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen mit ruckartigen Aufrichten und Anzeichen fehlender Orientierung kann man von einem Schlafen ausgehen, so das Bundessozialgericht. Mit Verweis auf ein Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.07.2007, 5B 84/06.
Der ehrenamtliche Richter war nach Überzeugung des Bundessozialgerichtes für einen erheblichen Teil der mündlichen Verhandlung geistig abwesend. Er konnte sich deshalb keine eigene Überzeugung in der Sache bilden. Die Entscheidung des LSG wegen der Ablehnung der Erwerbsunfähigkeitsrente war fehlerhaft zustande gekommen.
Ansprüche auf Erwerbsminderung sichern
- Antragsformulare prüfen und korrekt ausfüllen
- Verwaltungsverfahren, Widerspruchsverfaheren, Klageverfahren
- Ansprüche vor der Deutschen Rentenversicherung sichern
Das der Rechtsanwalt des Klägers ein berufliches Interesse an der Aufhebung des Urteils des LSG hatte, war noch kein Indiz dafür, dass dieser als Zeuge fehlerhafte Angaben über den Zustand des ehrenamtlichen Richters gemacht hat. Insoweit war dessen Angaben nicht „parteilich eingefärbt“, vgl.BSG vom 12.04.2017.
Das Urteil des LSG Baden-Württemberg war daher aufzuheben.
Der schlafende Richter ein Revisionsgrund!
Nicht nur in der Sache können fehlerhafte Entscheidungen entstehen, sondern auch durch Verfahrensmängel. Deshalb sind solche Vorgänge genau zu protokollieren. Die Besetzung der Gerichte ist immer Anlass zum Streit.