Bekleidungsgeld für die Rente
Wir hatten in der Vergangenheit schon berichtet. Für Menschen, die in der ehemaligen DDR einen Job bei der Polizei oder Zollverwaltung hatten, hat die Rechtsprechung wieder eine Tür aufgestoßen. Für eine höhere Rente! Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat in einem Urteil vom 27.04.2017 zu Gunsten des betroffenen Versicherten entschieden. Hier die Hintergründe zu diesem Urteil!
Bekleidungsgeld für die Rente ist ein zusätzliches Arbeitseinkommen, was für viele Versicherte aus der ehemaligen DDR eine wichtige Bedeutung für die Altersrente hat. Es geht um die Höhe der Rente. Viele tausende Menschen aus den Bereichen der ehemaligen Polizei-DDR und Zollverwaltung sind betroffen.
Dieses Urteil macht Hoffnung, dass die betreffenden Bundesländer und die Deutsche Rentenversicherung Träger der Sonder-und Zusatzversorgungssysteme der DDR, endlich ihre Verweigerungshaltungen beenden und den Antragstellern ihr Recht geben. Wir hatten am 11.04.2017 von einem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg berichtet. Bitte hier nachlesen.
Das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt ist rechtskräftig.
Die Revision zum Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen. Grund: Es ist eine Einzelfallentscheidung auf Grund gesicherter Rechtslage. Der Beklagte, hier das Land Sachsen-Anhalt, hat gegen das Urteil keine Revision eingelegt.
Für die Klägerin gibt es eine große Rentennachzahlung. Warum? Der Streit geht schon seit 2009. Damit dürften für mindestens 8 Jahre Rentennachzahlungen drin sein, wenn nicht noch mehr. Und für die Zukunft eine höhere Altersrente.
Bekleidungsgeld für die Rente: um was geht es?
Die Klägerin hat sich mit dem Land Sachsen-Anhalt um die Feststellung höherer Arbeitseinkünfte für die Zeit von 1970 bis 1979 gestritten. Neben dem Bruttoentgelt geht es um die gezahlten Verpflegungs-und Bekleidungsgelder als weitere Arbeitsentgelte nach dem Anspruchs-und Anwartschaftsüberführungsgesetz (kurz AAÜG genannt).
Unklarheiten beseitigen, rechtssichere Informationen erhalten
- Antworten auf Rentenfragen vom Rentenberater
- Überblick und Handlungshinweise für die Rente
- rechtssichere Informationen zur Rente
Die 1947 geborene Klägerin war in der Zeit von 1965 bis 1979 bei der Deutschen Volkspolizei der DDR beruflich tätig. Sie war in dieser Zeit dem Sonderversorgungssystem des MDI-DDR (VSO-MDI) zugeordnet.
Sie bezog Besoldungsgeld und daneben sozialversicherungs-und lohnsteuerfrei Verpflegungs-und Bekleidungsgeld. Die Zahlungen sind in den Besoldungsstammkarten vermerkt. Die Polizeidirektion Magdeburg stellte die grundsätzliche Einbeziehung in das AAÜG für die Klägerin fest, verweigerte aber die Anerkennung der zusätzlichen Arbeitsentgelte. Sie berücksichtige nur den Bruttoarbeitsverdienst.
2009 beantragte die Klägerin die Einbeziehung der zusätzlichen Arbeitsentgelte wegen Bekleidungs-und Verpflegungsentgelt. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.11.2009 ab.
Begründung:
Die bisherige Rechtsprechung sei auf Einzelfallentscheidung abgestellt. Sie sei auf Sonderversorgungssysteme nicht übertragbar.
2010 Klage eingereicht!
2010 legte die Klägerin Klage beim Sozialgericht Halle ein. Das Verpflegungs-und Bekleidungsentgelt sind Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV, sagte sie als Begründung der Klage. Sie verwies auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 27.08.2007(B 4 RS 4/06 R). Daneben bezog sie sich auf ein Urteil des Landessozialgericht Sachsen-Anhalt vom 17.07.2008 (L 1 RA 243/05).
Die Beklagte beantragte die Klageabweisung und sagte, Bekleidungsgeld und Verpflegungsgeld sind keine Arbeitseinkünfte nach dem Gesetz. Die Urteile betreffen nur die sogenannten Zusatzversorgungssysteme, nicht aber die Sonderversorgungsysteme.
Das Sozialgericht gab der Klägerin Recht. Sie hatte Anspruch auf diese zusätzlichen Arbeitsentgelte. Die Zahlungen von 1970 bis 1979 sind laufenden Einnahmen aus einem Arbeitsverhältnis und somit zu berücksichtigende Arbeitsentgelte nach § 6 Absatz 1 AAÜG.
Meine Rente? Mein Rentenberater!
- Ohne Stress und eigenen Aufwand in die Rente
- Rentenberater übernimmt alle weiteren Schritte
- Persönlicher Rentenberater für alle Rentenfragen
Das Bundesozialgericht hat den Begriff des Arbeitsentgeltes nach § 14 SGB IV ausgelegt. Eine Anknüpfung an das Recht der ehemaligen DDR sei nicht vorzunehmen. Es komme somit nur darauf an, dass die Zahlungen im Zusammenhang mit einer Beschäftigung stehen, so auch das Bekleidungsgeld für die Rente.
Das Verpflegungsgeld ist der Ausgleich der eigentlich bestehenden Sachleistung als Vollverpflegung anzusehen. Gleichsam ist es auch beim Bekleidungsgeld zu sehen. Diese Entgeltzahlungen sind auch deshalb dem Arbeitsentgelt zuzuordnen, weil sie nach dem Einkommensteuergesetz (EstG) vom 01.08.1991 steuerpflichtig oder steuerfrei sind, hier der § 3 Nr. 4 c EstG. Verpflegungsgeld und Bekleidungsgeld seien in der Regel lohnsteuerpflichtig. § 17 Absatz 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 der Arbeitsentgeltverordnung greift nicht.
Berufung der Beklagten
Der Beklagte legte gegen das Urteil vom im August 2012 Berufung ein. Er hat sich auf die Instanzgerichte berufen. Das von der Klägerin in Spiel gebrachte Urteil des BSG von 2007 hat keine Auswirkungen, weil es die Anerkennung der Jahresendprämien erfasse.
Im Oktober 2013 vereinbarten die Parteien das Ruhen des Verfahrens. Das Bundesoszialgericht hatte in einem anhängigen Revisionsverfahren , B 5 RS 1/13, einen ähnlich gelagerten Sachverhalt zu entscheiden. Ein Jahr später wurde das Verfahren durch das erkennende Gericht wieder aufgenommen, damit eine Entscheidung für das Bekleidungsgeld für die Rente gefällt werden kann.
Weitere Ablehnungshaltung durch den Beklagten!
Hier die Argumente des beklagten Landes:
- Zahlungen nicht aus Beschäftigung heraus erfolgt,
- nach DDR-Recht lohn-und sozialabgabenfrei,
- kein Bestandteil der Besoldung,
- Ziel war die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Polizei,
- keine freie Verfügbarkeit des Verpflegungsgeldes,
- kein Lohncharakter, weil es auch an dienstfreien Tagen gezahlt wurde.
Gleiches gilt auch für das Bekleidungsgeld, welches auf keiner Gegenleistung des Dienstherrn gegenüber der Klägerin beruhte. Es war als finanzieller Ausgleich für den Verschleiß der privaten Kleidung für die Personen gedacht, die während der Dienstausführung Zivilsachen trugen. Es wurde auch an dienstfreien Tagen gezahlt. Es wurde auch für weibliche Angestellte in der Zeit der Schwangerschaft und des Wochenurlaubs gezahlt.
Hinweis des LSG vor der Entscheidung
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt wies den Beklagten auf die eigene Rechtsprechung zur Zollverwaltung der DDR mit Urteil vom 19.11.2015, L 1 RS 33/12 hin. Darauf erwiderte der Beklagte, dass die Zahlungen von Verpflegungsgeld bei dem Zoll und der Polizei keine unterschiedlichen Zielrichtungen hatten.
Rente korrekt und zuverlässig berechnen!
- Berechnen der aktuellen Rente
- Berechnen der zukünftigen Rente
- Rentenhöhe korrekt bestimmen, Rentenverluste vermeiden
Hauptargument des Beklagten nach dem Hinweis!
Das Verpflegungs-und Besoldungsgeld dienten ausschließlich der Dienstbereitschaft und Gewährleistung der Aufgabenerfüllung für den Staat.
Die Klägerin weist darauf hin, dass nach Anlage 5 der Ordnung über die Zahlung von persönlichen Vergütungen und Entschädigungen vom 10.01.1973, Zahlungen mit 50 Mark-DDR als Verdienst aufzunehmen sind.
Bekleidungsgeld für die Rente: Die Entscheidung des LSG
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt gab der Klägerin Recht. Es entschied ohne mündliche Verhandlung, im Wege eines Gerichtsbescheid (ist ein Urteil ohne mündliche Verhandlung).
Das Gericht sagte in seinen Urteilgründen:
- Das Verpflegungs-und Bekleidungsgeld sind erzieltes Arbeitsentgelt
- Rechtsgrundlage ist § 8 Absatz 2, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 AAÜG
- Der Beklagte muss der Klägerin Mitteilung über die Arbeitsentgelte machen, so auch das Urteil des BSG vom 30. 10.2014,
- Das Verpflegungs-und Bekleidungsgeld sind Pflichtbeitragszeiten nach § 256a SGB VI.
Nach verschiedenen Urteile des Bundessozialgerichtes vom:
- 08.2007, B4 RS 4/06 R,
- 10.2015, B 5 RS 1/13 R,
- 07.2015, B 5 RS 9/14 R und
- 10.2015, B5 RS 7/14 R bestimmt sich der Begriff des Arbeitsentgeltes nach § 14 SGB IV.
Jeder rechtlich relevante Bezug zum Arbeitsverhältnis genügt als Zuerkennung als Arbeitsentgelt. Im Einzelfall muss im ersten Schritt die Feststellung und zeitliche Zuordnung des jeweils maßgeblichen DDR-Rechts ermittelt werden, vgl. Urteil des BSG vom 07.05.2014, B 12 R 18/11 R.
Dann ist festzustellen, ob es beim Arbeitsentgelt auf Grundlage des § 17 SGB IV in Verbindung mi § 1 Arbeitsentgeltverordnung eventuell einen Ausschluss gibt. Dieser kommt allein in Betracht, wenn es um Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse und andere ähnliche Einnahmen zu Gehältern geht, die steuerfrei gezahlt worden sind.
Für das Steuerrecht ist der Stichtag des 01.08.1991 maßgebend.
Die Klägerin hat das Verpflegungs-und Bekleidungsgeld durch den Dienstherrn in der DDR gezahlt bekommen. Die Höhe ist den Besoldungsstammkarten zu entnehmen.
Renten der DDR
Rentenpaket Sonder- Zusatzrenten der DDR
- Prüfen der Erfolgsaussichten und Verwaltungsverfahren
- Antragstellung Zusatz-Sonderversorgungsrente
- Durchsetzen - und Prüfen
Das Landessozialgericht teilte in den Urteilgründen weiter mit:
Das Bekleidungs-und Verpflegungsgeld ist Arbeitsentgelt. Es steht in einem rechtlich relevanten Bezug zum Arbeitsverhältnis, so auch das BSG vom 23.07.2015, B 5 RS 9/14 R. Grundlage für die Zahlungen war der Befehl des Ministers des Inneren Nr. 24/60 vom 22.04.1960. Rechtsgrundlage dieses Befehls war der Beschluss des Ministerrates der DDR über die Einführung von Wohnungs-und Verpflegungsgeld für Angehörige der bewaffneten Organe des MDI vom 21.04.1960 unter Bezugnahme des Gerichts auf weitere Verordnungen und Beschlüssen.
Im 2. Prüfungsschritt hat das Gericht einen eventuellen Ausschluss nach § 17 SGB IV geprüft.
Dieser Ausschluss (also Steuerfreiheit nach der Arbeitsentgeltverordnung) lag nicht vor. Dass der Klägerin gezahlte Verpflegungsgeld wäre am Stichtag des 01. 08.1991 steuerpflichtig gewesen. So auch die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 24.02.2106, L 16 R 649/14 und des LSG Sachsen-Anhalt vom 13.10.2016, L 3 RS 11/15.
Das Verpflegungsgeld ist nicht nur einfacher und notwendiger Bestandteil betrieblicher oder funktionaler Zielsetzungen anzusehen. Es handelt sich um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, egal ob einmalig oder als laufende, dauerhafte Leistungen zu den „normalen“ Bezügen.
Damit die Rente stimmt!
- Rentenerhöhung / Rentennachzahlung sichern
- Fehler und Lücken aufdecken
- Rentenbescheid prüfen ist ein Muss!
LSG folgt Rechtssprechung aus eigenem Haus
Der erkennende Senat folgt somit der Rechtsprechung aus eigenem Hause vom 13.10.2016, L 3 RS 11/15. Das Verpflegungsentgelt und deren Zahlung erfolgte nicht aus eigenen betrieblichen Interessen des Dienstherren.
Es diente zur Verbesserung der Einkommen der Klägerin als Angehörige der bewaffneten Organe des MDI-DDR, so der Beschluss des MDI vom 21.04.1961, Geheime Regierungssache GRS N.r148/60 und der Befehl des Ministers des Inneren der DDR Nr. 24/60 vom 22.04.1960.
Gleiche Grundsätze gelten auch für das Bekleidungsgeld. Es wäre nicht steuerfrei gewesen, § 3 Nr. 4b EstG.
Das Bekleidungsgeld für die Rente betrug ca. 5 % des jährlichen Bruttoeinkommens. Entgegen dem Reinigungszuschuss (der wohl steuerfrei ist), übersteigt das Bekleidungsgeld deutlich den Abnutzungsaufwand der privaten Kleidung deutlich. Damit hat es Arbeitsentgeltcharakter.
Ein Bekleidungsgeld von monatlich 50 Mark -DDR und ab 1973 mit 60 Mark-DDR im Monat war erheblich höher als der Reinigungszuschuss der Mitarbeiter des Zolls der DDR.
Das Gericht gab der Klägerin Recht.
aus der PKV in die GKV wechseln
Wechselcheck - ab in die GKV
- kostenloser Check, ob Sie wechseln können
- endlich aus der PKV in die GKV wechseln
- Wechselmöglichkeiten erfahren
Unser Fazit zum Bekleidungsgeld für die Rente!
Ein wichtiges Urteil. Viele Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland, die in den ehemaligen bewaffneten Organen des MDI, Zoll und NVA beruflich tätig waren, haben Anspruch auf Bekleidungs-, Wohn-und Verpflegungsgeld. Es geht um tausende Betroffene, deren Rente falsch sein können. Daher lohnt sich die Überprüfung der Rentenbescheide. Es können sogar im Einzelfall erhebliche Rentennachzahlungen bis 4 Jahre rückwirkend möglich sein. Gerne übernehmen wir die Prüfung der Bescheide und der Berechnung der Rente.
Aus den Praxiserfahrungen der Rentenberater und Rechtsanwälte von rentenbescheid24.de ist alleinige Beantragung der zusätzlichen Arbeitsentgelte ohne eine Beratung von spezialisierten unabhängigen Rentenberatern und Rechtsanwälten nicht zu empfehlen.
Autor des Beitrages
Peter Knöppel
Peter Knöppel ist Rentenberater, Fachanwalt für Sozialrecht und Rechtsanwalt. Er analysiert, erkennt und geht oftmals neue Wege in Sachen Rente.